Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus haben unser Leben vielfach völlig auf den Kopf gestellt, von einem Tag auf den anderen mussten wir unser Verhalten radikal ändern. Ein Großteil der Geschäfte wurden bzw. sind geschlossen, die Wirtschaft wurde "heruntergefahren". Wo es möglich ist bzw. war, arbeiten die Menschen im Homeoffice, viele wurden in Kurzarbeit geschickt, aber viele wurden auch aufgrund der Einstellung der Geschäftstätigkeit gekündigt. Der Straßenverkehr ist massiv zurückgegangen und mit jedem Tag ist die Anzahl der Kondensstreifen am (blauen) Himmel geringer geworden.
Wir möchten die Erfahrungen bzw. Eindrücke hier sammeln und präsentieren, damit sie uns nach Ende der Corona-Krise daran erinnern. Schreibt uns dazu an austria@parentsforfuture.at.
Ich genieße die Stille über Innsbruck sehr: der Flughafen ist geschlossen! Was für ein Gewinn! Statt dessen Vogelgezwitscher! Ich wünsche mir, dass wir nach der Krise nicht automatisch zum früheren dichten Flugplan zurückkehren, sondern uns gut überlegen, ob es uns das wert ist.
Julia, Tirol
Homeoffice ist für mich das Beste was ich mir vorstellen kann:
Daraus ergeben sich dann folgende Überlegungen:
Wie können wir den Individualverkehr auf diesem Niveau halten, wenn in ein paar Wochen der Alltag wieder einkehrt?
Wie können wir es schaffen regionale Produktions-/Versorgungsstrukturen- und ketten zu organisieren, nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für andere Produkte, Energie, etc.
Stefan Dafert, Radstadt
Ich gehe momentan keiner Erwerbsarbeit nach, da ich Shiatsu-Praktikerin bin und daher nicht arbeiten darf. Ich liebe meinen Beruf und übe ihn sehr gerne aus. Trotzdem genieße ich die momentane Ruhe. Ich hab keinen Stress bei den Alltagspflichten, mache mir auch keinen Tagesplan und kann jederzeit meiner Tochter zur Verfügung stehen, wenn sie gerne Unterstützung hat bei ihren Schulaufträgen. Beim Einkaufen habe ich das Gefühl, es herrscht allgemein weniger Stress - zumindest jetzt nach einer Woche Corona-Krise. Man wartet rücksichtsvoll, bevor man zu einem Regal geht, sofern jemand anderer gerade davor steht. Es gibt kein Gedränge an der Kassa. Trifft man Bekannte, hat man Zeit zum Reden - 2 Meter Abstand - und erkundigt sich wirklich interessiert nach deren Befinden. Die Angestellten des Supermarktes nehme ich mit ganz anderen Augen wahr. Ich mache mir Gedanken über ihre Arbeitsbedingungen, über ihre Sorgen. Ich spreche sie noch viel öfter an als sonst, und frage sie, wie es ihnen mit dieser Situation geht.
Denke ich zu Hause an Freunde, Bekannte, so greife ich meist gleich nach dem Telefon, um mit ihnen zu reden und zu schauen, wie es ihnen geht.
Beim Laufen und Radfahren im Wald sind viel mehr Leute unterwegs als zu anderen Zeiten. Es scheinen hier alle glücklich darüber zu sein, den Wald, die Natur vor der Haustür zu haben und die Freiheit in ihr genießen zu dürfen. Alle grüßen einander freundlich.
Judith, Klosterneuburg
In der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass Wegfliegen ganz schön gefährlich sein kann. Niemand weiß, ob er problemlos wieder zurückkommt. Mitunter muss viel Zeit im Urlaub mit der Planung der Rückreise verbracht werden. Nicht zu vergessen, der damit verbundene Stress.
Was für mich erhalten bleiben soll:
Gerhard (56 Jahre, 3 Kinder), Klosterneuburg
“Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.”
Dieses Zitat von Ghandi beschreibt ganz wunderbar was wir hier in Europa erleben. Auf die sich seit den 90ern deutlich anbahnende Klimakrise haben wir nicht reagiert, auch nicht als sie seit der Jahrtausendwende immer deutlichere Auswirkungen zeigte. Ist das Klima zu langsam, dass es der Mensch verstehen kann?
2015 landeten viele tausend Flüchtlinge in Italien. Die reichen Staaten Mitteleuropas haben mitleidig nach Süden geschaut, Worte wie “die werden das schon schaffen” waren zu hören. Und plötzlich und absolut unerwartet standen die Flüchtlinge uns vor der Türe. Wir waren null vorbereitet. Aber vielleicht sind auch Prozesse, die sich über Monate ziehen zu langsam als dass sie Bürger oder Politik begreifen könnten?
2020 schaute wieder ganz Europa nach Italien. Da breitete sich rasch eine Pandemie aus, die zwei Monate vorher in China ihren Ursprung hatte. Manche Länder spendeten Schutzmasken und Ausrüstung - und hakten das Problem für sich ab, während in Italien Ausnahmezustand herrschte, Dörfer und Regionen abgeschottet wurden, Touristen nach Hause geschickt wurden.
Und absolut aus heiterem Himmel kommt der Virus dann über die Grenze nach Tirol. Niemand hätte das vermutet, niemand war vorbereitet. Zwei Wochen später ist auch der Rest Europas im Ausnahmezustand.
Der Prozess hat vielleicht 3 Wochen gedauert. Wohl zu schnell um das zu erkennen?
Wie weit her ist es nun eigentlich mit der Intelligenz des Menschen. Vielleicht liegt Ghandi richtig …
Doch der Ausnahmezustand hat auch seine guten Seiten. Der Virus hat geschafft, was große Demonstrationen und Initiativen nicht geschafft haben:
Es würde mich freuen, wenn wir durch die Krise einen Weg finden würden, diese positiven Punkte für die Menschen weitgehend erhalten zu können. Wenn die Menschen etwas mehr zusammenhalten würden. Wenn man wieder im eigenen Garten urlauben kann, sollte einem danach sein. Wenn das Diktat der Wirtschaft einer Diskussion und einer Abwägung von Interessen weicht. Wenn man auch Ruhe und Frieden als wertvolles Gut entdeckt und wertschätzt und auch die Natur wieder wertgeschätzt wird.
Weltweit haben wir in den letzten 30 Jahren weltweit so viel Natur und Gesundheit der Gier nach Geld geopfert. Wälder, Ökosysteme, Millionen Tierarten wurden ausgelöscht, Vögel und schöne Schmetterlinge verschwanden zum Großteil auch aus unserem Landschaftsbild. Wieviel glücklicher hat uns das in Summe gemacht?
Es geht auch anders, wenn wir nur wollen.
Markus (47, 2 praktisch erwachsene Kinder)
Mit umfassender Selbstverständlichkeit wurde und wird weiter erwartet, dass in dieser Krise durch die Korona-Seuche die jüngeren Generationen auf die älteren Rücksicht nehmen; diese Solidarität wurde richtiger Weise eingefordert.
Die älteren Generationen - motiviert durch das jetzt erlebte Wohlwollen - mögen mit ähnlich starker Solidarität gegenüber den jüngeren Generationen zur Mithilfe am Eindämmen der „Konsum-Seuche“ bereit sein – zugunsten einer lebenswerten Zukunft der jüngeren; vor allem durch nachhaltigen Einsatz ihrer riesigen Kaufkraft. Es besteht schließlich große Wahrscheinlichkeit, dass eine ungebremste Klimakrise wesentlich mehr Leben aus den jüngeren Generationen fordern könnte, als die jetzige bei den älteren.
Ich wünsche mir also eine neue Art Generationenvertrag, zu dessen Installation die jüngeren - natürlich auch zu ihrem eigenen Nutzen wie oben von vielen beobachtet und sehr treffend beschrieben – bereits eine ganze Menge Gutwill angespart haben. Eigentlich eine Vor“leistung, die sich wirklich lohnen“ sollte, wie Politiker aller Farben immer wieder trefflich zu argumentieren wissen. In diesem Sinn sind sie am Zug. Ich will 100%-ig dabei sein um sie in großen Menschenansammlungen (nach welchen in dieser an Kontakt armen Zeit vielleicht auch entsprechender Hunger entsteht) dafür zu gewinnen.
Franz Luksch (65, 3 erwachsene Kinder und 4 Enkel als Motivationslokomotiven)
Seit 23 Jahren wohne ich in diesem Haus am Land, und heute höre ich zum ersten mal ganz klar und deutlich das Mittagsläuten! Ich muss zugeben, erst hat mich das wirklich etwas verwirrt ;-)
Markus, Tirol
… ist es still geworden, Vogelstimmen sind vermehrt zu hören. die Luftqualität hat sich verbessert und die Delphine sind zurück, in Italien.
Roswitha
Unsere Gesellschaft wurde durch den Corona-Virus aus dem “Alltagstrott” geworfen. Diese aufgrund der äußeren Umstände erzwungene Veränderung ist meiner Meinung nach eine große Chance. Wie können wir nach Bewältigung der Corona-Krise in ein nachhaltiges Gesellschaftssystem eintauchen/investieren und nicht wieder in den suizidalen Status vor der Krise zurückkehren? Wir erleben hautnah, wie schnell und umfassend Veränderungen geschehen können.
Ich bin froh über die erzwungene Entschleunigung, über das Nicht-Dinge-Besorgen-Gehen-Müssen und über die Mäusebussarde und Turmfalken, die über unserem Dorf ihre Kreise ziehen. Ich freue mich darüber, dass keine Flugzeuge am Himmel zu sehen sind, dass fast keine Autos fahren. Und ich bemerke, dass wir als Familie eigentlich gar nicht so viele Dinge brauchen.
Katharina (3 Kinder), Tirol
Was ist für euch in den letzten Wochen „anders“ geworden als gewohnt?
Was ist für euch schrecklich und was ist gut?
Und wenn wir an die Klimakrise denken – was sind eure Wünsche?
Daniela, St. Valentin