Kommunizieren statt Kriminalisieren

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(Gastkommentar in der Presse am 13.6.2023)

Die Razzien gegen Mitglieder der Letzten Generation Deutschland und die zumindest kurzzeitige Verhaftung von 1500 Klimaaktivistinnen und -aktivisten in Den Haag provozieren eine Eskalation im Umgang mit Menschen, die sich für Klimaschutz einsetzen. Solche Aktionen fördern zusätzlich die jetzt schon spürbare Spaltung der Gesellschaft in Klimaaktivisten und all die, denen die Forderung nach Klimaschutz jetzt schon zu weit geht oder die diesen sogar ganz ablehnen.

Die Aktion wurde von der Bayrischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus initiiert. Allein diese Tatsache bringt friedliche Klima-Aktivisten in Zusammenhang mit Terrorismus. Der Berliner Bürgermeister spricht davon, er wolle Berlin aus der, Geiselhaft dieser Chaoten‘ befreien. Geiseln werden gewöhnlich von Schwerverbrechern oder Terroristen genommen. Begriffe wie Klimaterrorismus oder Klima-RAF werden von Politik und Medien in die Diskussion geworfen.

Gewaltfreier ziviler Ungehorsam wird kriminalisiert. Dieser ist, so der Philosoph John Rawls, wichtig und gerechtfertigt. Er sieht ihn als „letztes Mittel“, als Resultat des Pflichtenkonflikts zwischen Gesetzestreue einerseits und der moralischen Verpflichtung andererseits, Ungerechtigkeit öffentlich, gewaltfrei und ungesetzlich aufzuzeigen. Klima- und Generationengerechtigkeit wird so zum „moralischen Imperativ”.

In wessen Interesse wird hier kriminalisiert? Nicht die Klimaschützer werden zunehmend aggressiv, sondern ihre Gegner. Klimaaktivisten sind nicht „bekloppt“, wie der deutsche Bundeskanzler, Olaf Scholz, abwertend gemeint hat. Sie kämpfen nur für ihre, ja für unser aller Zukunft. Wie wohltuend dagegen die aktuelle Reaktion der UNO: „Klimaaktivisten – angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen – haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiterverfolgt. Sie müssen geschützt werden, und wir brauchen sie jetzt mehr denn je“ (Stéphane Dujarric, UNO). Auch die deutsche SPD Ko-Chefin Saskia Esken verteidigt die jungen Klimaaktivisten nun gegen überzogene Maßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft München.

Wir brauchen jetzt keine Lagerkämpfe und kein Anheizen von Aggressionen in der Gesellschaft. Vielmehr tut gemeinsame Anstrengung aller Bevölkerungsteile und aller staatlichen Institutionen not. Das gemeinsame Ziel muss sein, die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch zu vermeiden. Das geht nur mit globalen koordinierten Aktionen.

UNO-Generalsekretär Guterres wies mit „Wir sind auf einem Highway in die Klimahölle und haben den Fuß auf dem Gaspedal“ drastisch auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes hin. Wir sind die Letzten, die durch konsequentes Handeln noch ein dauerhaftes Kippen des Weltklimas verhindern können. Wenn wir jetzt nichts tun, ist es zu spät.

Es gibt weitgehende Übereinstimmung über Klimaziele und Maßnahmenkataloge. Lokale und globale Klimaschutzorganisationen, Teile der politischen Welt erheben ihre Stimmen. Um mit der Philosophin Hannah Arendt zu sprechen, wir haben als gemeinsam im öffentlichen Raum Auftretende die politische Macht, durch unsere auf moralischen Überzeugungen und wissenschaftlichen Fakten basierenden Aktionen Einfluss zu nehmen auf den weiteren Fortgang der Klimaschutzpolitik. Das macht Mut. Es ist noch nicht zu spät, aber wir haben keinen Augenblick mehr zu verlieren!

Tilman Voss, im Namen von Artists for Future, Austria Guides for Future, Grandparents for Future, Parents For Future, Seniors for Future